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Themenblock 3: Erfahrene, verwaltete und disziplinierte Körper


Samstag, 26. November 2005, 16h15 - 17h15



WORKSHOP 1: Mit dem Körper auf Erfahrungssuche: Extremsport und Extremerfahrungen in der Natur

» Prof. Dr. Kurt Weis
Technische Universität München

Inhalt
Alle sinnlichen Wahrnehmungen, alle Erlebnisse, alle daraus gewonnenen Erfahrungen über die Innen- und Außenwelt werden mit dem Körper gemacht. So wie der Körper selbst, so sind auch seine Erfahrungen individuell erlebt, gesellschaftlich geprägt und kulturell überformt.

Welches sind die Körpertechniken und körperlichen Rahmenbedingungen, die andere Kulturen nutz(t)en, um innere Vorgänge, zielführende oder bewusstseinerweiternde Erfahrungen oder Schritte zur inneren Vervollkommnung zu steuern?
Was verstehen wir heute noch von den Lernplätzen der Religionsstifter, Mystiker und Schamanen: Wüste, Höhle, Wasser, Dunkelheit, Einsamkeit, wo sie zu sich selber und zur Erkenntnis kamen? Wie weit sind ihre Techniken, z.B. Fasten, Schweigen, Meditieren, energetisches Atmen, als kostenlose Körperkünste den Knechten der heutigen Konsumgesellschaft noch vermittelbar?
Ist es die Reizreduktion, die zu besonderen Erfahrungen führt? Oder ist es beim Extremsport wie bei sonstiger Extremerfahrung in der Natur die Reduktion der Wahrnehmung auf das Wesentliche, das schlichte Überleben und Weiterkommen?
Wird unsere Gesellschaft deswegen gern als "Erlebnisgesellschaft" bezeichnet, weil sie genauso erlebnisarm wie erlebnissüchtig ist? Was unterscheidet Erlebnisse von Erfahrungen, wie reifen Erlebnisse zu Erfahrungen? Warum soll Pädagogik mit Erlebnissen arbeiten, warum sollen Erfahrungen in der Natur gesucht werden, warum ist Extremsport ein extremes Sinnbild unserer sicherheitsorientierten Kultur, warum hat all das mit der Suche nach Sinn zu tun - warum haben unsere Gesellschaft und Wissenschaft Angst, die Sinnfrage zu stellen?
Führt uns unser Sicherheitsstreben gleichzeitig zur Risikovergessenheit und zur Risikobesessenheit, führt uns die Erlebnissucht auf die Suche nach einem selbstinszenierten Extrem-Ereignis, für das es sich lohnt, vieles oder sogar alles zu riskieren? Kann man Existenzerfahrungen machen, wenn man seine Grenzen überschreitet?
Versucht nach dem Verlust der alten Zwangssicherheiten im Rahmen gesellschaftlicher Individualisierungsprozesse die neue Konzentration auf den Körper nunmehr Funktionen zu erfüllen, die früher der Religion zustanden? Wird der Körper als Erlebnisraum im Rahmen allgemeiner Verunsicherung immer wichtiger, weil er das letzte Authentische zu sein scheint, was uns bleibt?
Wenn der Körper das Medium aller Erlebnis-, Erfahrungs- und Sinnsuche ist - lassen sich dann aus Körper-, Sport- und Religionssoziologie Ansätze herauslösen, die uns zu einer Soziologie der Erfahrungs- und Sinnsuche führen?

Es gilt, den von Sozialwissenschaften vernachlässigten, menschliches Streben kennzeichnenden und die Gesellschaften prägenden Einfluss von menschlichen Erfahrungen, im Körper gemachten Erlebnissen und Erfahrungen, wieder soziologischer Aufmerksamkeit zuzuführen.

Der Workshop beginnt mit einer kurzen Einführung in die Körpertechniken und Rahmenbedingungen, mit deren Hilfe unterschiedliche Kulturen Erfahrungen zu machen suchten. Im Übrigen sollen die vorstehenden Fragen mit den Teilnehmern diskutiert werden. Aus der Arbeit des Referenten erhalten die Teilnehmer einen Text "Hemmunglos erleben - Körperliche Grenzen und spirituelle Horizonte" und eine Tagungsbroschüre "Extremsport und Erfahrungssuche in der Natur. Existenzerfahrungen, Grenzüberschreitungen, Erlebnispädagogik".



WORKSHOP 2: Körpernormen und Ernährungsempfehlungen. Ein Beitrag zur Geschichte der Normierung und Objektivierung 1900-1940

» Dr. Uwe Spiekermann
Universität Göttingen

Inhalt
Mit dem Aufkommen einer modernen naturwissenschaftlich ausgerichteten Medizin waren seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert auch Versuche verbunden, den körperlichen Zustand des Menschen "objektiv" einzuschätzen. Das (antike) ebenmäßige Ideal des Menschen wurde ergänzt durch einen Blick auf die reale Leiblichkeit, auf quantifizierbare Daten von Länge, Breite und Gewicht. Vermehrt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden diese empirischen Informationen zu Aussagen über den Körper eines fiktiven Durchschnittsmenschen verdichtet. Ziel war es nicht allein, zwischen verschiedenen Gruppen, Altern, Geschlechtern präzise zu scheiden, sondern insbesondere die Folgen der Industrialisierung auf die Unterschichten und das "Volk" genauer benennen zu können. Anthropologen und Statistikern extrapolierten dazu aus bestehenden Daten mathematische Formeln, der Einzelkörper galt als Bruchteil der Gattung. Seit den 1880er Jahren intensivierte sich die Datenproduktion, abseits von Militär und Minderbemittelten sammelten vor allem Versicherungs- und Schulmediziner Körperdaten. Sie erweiterten den Korpus "objektiver" Informationen, boten seit den 1890er Jahren die Basis für einfach handhabbare Durchschnittstabellen über den Körperzustand "normaler" Menschen. Sie bildeten zugleich die Grundlage für intensive Bemühungen seit der Jahrhundertwende, mittels einfacher Formeln den körperlichen Zustand Einzelner durch die Kenntnis einiger weniger äußerer Körperdaten präzise einordnen zu können. An die Stelle des differenzierenden und individualisierenden körperlichen Blickes des Mediziners trat ein abstraktes Wissen um die Körpernorm, die Basis für Rat und Intervention wurde.

Diese Körpernormen hatten jedoch ihre klaren Grenzen. So wurde in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg intensiv um die Einschätzung von "Unterernährung" gerungen, war die Wahl "richtiger" oder "falscher" Normen doch Grundlage für eine angemessenen oder aber überbordende sozialstaatliche Intervention. Die Hungerkatastrophe des Ersten Weltkrieges (auch Ausfluss fragwürdiger Kostmaße), die sich tief in die Körper der Deutschen fraß, verdeutlichte Probleme statistischer Abweichungen und individueller Bedürfnisse. Das Beispiel der Quäkerspeisung seit 1919 zeigt, wie auf Basis "objektiver", gleichwohl offenbar unangemessener Körpernormen Millionen von Schulkindern nicht die Hilfe bekamen, die ihnen aufgrund ihres schwächlichen Körperzustandes zugestanden hätte. Die Folge dieser wachsenden Probleme der Objektivierung des Körperzustandes waren gravierend: Zum einen wurde die empirische Grundlagenforschung intensiviert, darauf hoffend, so ein genaueres Ab- und Vorbild der Körper geben zu können. Zum anderen vertiefte sich der Körperblick, wandte sich von äußerlichen Indikatoren zunehmend auf körperinnere Funktionszusammenhänge. Der Körper galt immer weniger als Resultante sozialer Rahmenbedingungen, sondern "objektivierbarer" Stoffwechselprozesse.
Deren Kenntnis wurde durch biochemische Grundlagenforschung schon vor dem Ersten Weltkrieg auf eine konzeptionell neue Grundlage gestellt. Essentielle Fette, Aminosäuren, vor allem aber Mineralstoffe und die 1911 benannten Vitamine traten in ihrer Bedeutung für den Körperaufbau zunehmend in das Bewusstsein von Medizinern und Hygienikern. Das relative Scheitern einer auf einseitig kalorisch ausgerichteten Kostmaßen gründenden Ernährungspolitik führte spätestens seit Mitte der 1920er Jahre zu intensivierten Diskussionen über Körper und Gesundheit eindeutig fördernde Normen und Empfehlungen.
Ziel dieser Optimierungs- und Aufzuchtsbestrebungen war ein leistungsfähiger Körper, eine funktionsfähige Biomaschine. Ihre Motive lagen nicht allein in rassenhygienischen Vorstellungen, sondern waren durchaus sozialer Natur. Es galt weiterhin, gerade in den sozialen Unterschichten Armut und Krankheit zu bekämpfen, um so allen Bevölkerungsschichten gleiche Chancen zur Ausbildung ihrer von der "Natur" her möglichen Normkörper zu ermöglichen. Normen dienten dabei nicht allein als Bewertungsmaßstab, sondern auch als Handlungshorizont. Dazu wurden Ernährungsempfehlungen und Körpernormen miteinander gekoppelt, wurden zur Grundlage wissenschaftlicher Anspruchshaltungen an eine "rationale" Biopolitik. Ihre zukunftsweisendste Form fand sie in Völkerbundempfehlungen der 1930er Jahre, die historische Grundlage der heutigen Ernährungsempfehlungen bilden. Sie wurde jedoch ebenso (etwa im Deutschen Reich) in rassistische Kontexte eingebunden, in der "gesunde" und dienstbarer Körper gefördert, "kranke" und "anormale" dagegen verhindert und getilgt werden sollten.
Das deutsche Beispiel kann zugleich verdeutlichen, dass es seit den 1930er Jahren eben nicht mehr nur darum ging, große Gruppen mittels Normen und Empfehlungen im Krisenfalle gesundheitlich organisieren zu können, sondern dass es zunehmend galt, diese Gruppen selbst zu gewinnen: Internalisierung von wissenschaftlichem Körperwissen und die Ausbildung intrinsischer Motivation zur "gesunden" Lebensführung wurden zu Zielen einer neuartigen Körper- und Gesundheitsaufklärung. Sie etablierten vor dem 2. Weltkrieg Wissens- und Vermittlungsformen, die teils bis heute gelten. Sie in ihrer (wissenschafts-)historischen Bedingtheit zu reflektieren kann sicher helfen, Sinn und Unsinn heutiger Körpernormen und Ernährungsempfehlungen fundiert abzuwägen.



WORKSHOP 3: Biosociality/Biosozialität. Die Gene, der Körper und die Gemeinschaft. Kritische Diskussion eines Konzepts

» Dr. Caroline Arni
Universität Bern

Inhalt
Der Begriff "biosociality" wurde 1992 vom Anthropologen und Wissenschaftsforscher Paul Rabinow geprägt und hat als "Biosozialität" auch in die deutschsprachige Diskussion Eingang gefunden. Mit dem Begriff wird kritisch reagiert auf die Diagnose einer "Biologisierung/Genetisierung des Sozialen". Die Bedeutung von Gendiagnostik und Gentechnologie, so wird argumentiert, sei mit dieser Diagnose nicht angemessen erfasst, weil sie auf der Grundlage einer Unterscheidung von Natürlichem und Kulturellem operiere. Herausragendes Merkmal der Gegenwart aber sei es gerade, dass sie diese Unterscheidung unterlaufe, werde doch Natur biotechnologisch verfügbar, während das Soziale von biologischem Wissen und biotechnologischer Intervention gestaltet werde. Oder, so sinngemäss die Fassung des Begriffs "biosociality" durch Paul Rabinow: "Natur wird künstlich" und "Kultur wird natürlich". Geht es beim Begriff "biosociality" in diesem grundsätzlichen Sinn um die Überwindung der Dichotomie Natur/Kultur, so wird er auch mit konkreten Phänomenen empirisch gefüllt. So werden als "biosociality" etwa neue Formen der Vergemeinschaftung beschrieben, die sich dort beobachten/prognostizieren lassen, wo sich Individuen infolge der Diagnose genetischer Krankheitsdispositionen zu Interessengruppen oder Selbsthilfegruppen zusammenschliessen. Der Körper bzw. das Wissen über körperliche Veranlagungen wird hier zur Grundlage von Vergemeinschaftung und ev. in einem weiter reichenden Sinne auch von sozialer Strukturierung. Im Workshop soll zum einen das Konzept "biosociality" vorgestellt und anhand einschlägiger Textstellen nachvollzogen werden. Zum andern geht es um die kritische Diskussion: Auf welche empirischen und theoretisch-konzeptuellen Probleme antwortet das Konzept? Ist es plausibel? Welche Phänomene lassen sich mit dem Begriff fassen? Wird damit Gegenwart zeitdiagnostisch beschrieben? Welches historische Argument verbirgt sich hinter dem Konzept bzw.: ist das, was der Begriff beschreibt, "neu"?



WORKSHOP 4: Le corps engendré, sexualisé et handicapé à travers les idées eugéniques

» Dr. Natalia Gerodetti
Université de Lausanne

Contenu
La sociologie du corps propose que la perception du corps varie selon les époques et les cultures. Dans la culture occidentale le corps est au centre de différentes exigences, souhaits et obligations en ce qui concerne sa forme et son apparence et les processus de normalisation exigent que le corps contemporain doive être «sain, beau et sexy». Le workshop sera intéressé particulièrement comment le corps sain était constitué, réglementé et administré dans un contexte historique afin de réfléchir sur la durabilité de ces idées dans un contexte contemporain. Le cas d'étude ici sera la construction et la régulation du corps engendré, sexualisé et handicapé en Suisse dans la première moitié du XXe siècle.

Le contexte historique est encadré par les idées et les pratiques eugéniques qui reposait sur la crainte de la d dégénérescence et l'idée que l'amélioration de la population peut être obtenue par la maîtrise scientifique. Le but étant de contrôler la reproduction afin de sélectionner les variations génétiques favorables et d'éliminer avant la fécondation (par interdiction du mariage ou stérilisation) ou après (par infanticide ou avortement) celles qui semblaient défavorables. Central aux idées eugéniques aussi que les pratiques était la sexualité, le comportement sexuel de la population et ainsi le corps avec ses pratiques incorporées (embodied practices). Les politiques des démocraties européennes de la période entre guerre témoignent de ce que le corps des femmes en tant que le corps reproducteur a été surinvesti durant la XXe siècle. Corps nationalisé, corps enrégimenté, en tant que «corps de la nation» (« Volkskörper »), le corps des mères était l'enjeu de dispositifs expérimentaux concrets, d'agenda collectif complexes et parfois contradictoire. Néanmoins, il ne s'agissait pas d'un corps féminin universel mais d'un corps différencié, en tant que des identités incorporées, à la conjonction avec d'autres structures de pouvoir aussi que, par implication, avec le corps masculin.

La disciplinarisation et l'administration du corps féminin et masculin seront ainsi examinés prenant en compte la construction normative de la sexualité et le handicap. La représentation, la construction et la manipulation des corps dans la société et pour le bénéfice de la société ainsi encadrent les questions sur l'idée du corps parfait et l'importance durable du corps dans la théorie de la société. Les participants seront fournis avec des matériaux de travail pour le workshop.



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17.09.07 22:42


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