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Workshops
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WORKSHOP: Geist, Technik, Transhumanismus. Geistige Aspekte der gegenwärtigen Technikentwicklung
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Dott. Roland Benedikter
Institut für Ideengeschichte und Demokratieforschung Innsbruck,
Lehrgang Kulturwissenschaften der Universität Innsbruck,
Mitglied des Lehrkörpers des "Laboratorio Freudiano" Mailand
» rolandbenedikter@yahoo.de |
Inhalt
Der Workshop stellt erstens die Frage nach der Zukunft des menschlichen Geistes
zwischen heutiger Technikentwicklung und "Überwindung des Menschen"
im Transhumanismus. Genauer: nach der Zukunft dessen, was man im Rahmen des
abendländischen Humanismus das "vorsprachlich Menschliche" in
Denken, Fühlen und Wollen genannt hat. Er sucht zweitens nach Hinweisen
darauf, was sich mit der gegenwärtigen Technikentwicklung selbst geistig
vollzieht. |
Anhand praktischer Fallbeispiele, die wir anhand von Videofilmen und Fotos
studieren, versuchen wir eine Anschauung von Schlüsselaspekten der aktuellen
Vorgänge zu entwickeln. Dabei geht es darum, die verschiedenen im Spiel
befindlichen Aspekte, die zum Teil widersprüchliche Entwicklungen für
die Zukunft möglich machen, zu einem möglichst integralen Gesamtbild
zusammenzufügen. |
Im Verlauf des Workshops soll sich durch dieses Verfahren einerseits klären,
was heute unter "Geist" verstanden werden kann (der zum Teil zu Recht,
zum Teil zu Unrecht diskreditierteste und verdrängteste Begriff der heutigen
Universität, auch in der Soziologie). Andererseits soll die Frage thematisiert
werden, welche Art Verwandlung das Wirken der ökonomisierten Technik mit
ihrem heute erstmaligen Eindringen in Kernbereiche des Menschlichen - wie individuelle
Sinnes-Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Denken und Körper - vollzieht, und
ob und in welcher Weise diese Verwandlung als ein evolutorisch-geistiger Impuls
verstanden werden kann. |
Ziel
Es geht um eine gewisse Vertiefung der Technikproblematik. Dabei sollen konkrete
Fakten auf ihre Hintergründe und Wirkungen befragt werden, die von der
gegenwärtigen Logik von Technik und Wirtschaftskultur meist noch zu wenig
beachtet werden. Was geschieht mit dem menschlichen Geist, wenn das Gehirn an
einen Computer angeschlossen wird? Was sieht ein Blinder, in dessen Hinterkopf
ein Kabel hineinläuft, mit dem seine Hirnrinde an eine Videokamera angeschlossen
ist? Und was wird die Zukunft dieser Entwicklung sein? |
Das sind Fragen, die bisher noch kaum in wissenschaftlich begründeter
Weise studiert werden. Für das Studium dieser Fragen steht auch noch kein
angemessenes, meta- und postmaterialistisches Wissenschaftsmodell zur Verfügung.
Um diese Fragen nicht nur angemessen beantworten, sondern überhaupt angemessen
studieren zu können, ist für die kommenden Jahre und Jahrzehnte daher
ein neues, integrales Wissenschaftsmodell nötig, das eine Synthese zwischen
nominalistischen (objektiv faktenorientierten) und realistischen (geistig-humanistischen)
Ansätzen versucht. Es geht heute entscheidend darum, diese Synthese vor
allem auch universitär vorzubereiten und in paradigmatischen Teilen zu
realisieren: die Wissensparadigmata zu erweitern und die Anschauungsformen integraler
zu machen. Das ist auf keine Ideologie beschränkt, sondern ein notwendigerweise
breit anzulegender wissensevolutiver Impuls, der zum Beispiel mit der Integralen
Bewegung und mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Ansätzen zu tun
hat. In vielen Arbeiten jüngerer WissenschaftlerInnen und Studierender
aus Sozialwissenschaften, Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften ist
dieser Impuls eines integraleren Wissenschaftsdenkens zu beobachten.Ihn gilt
es aufzugreifen, zu differenzieren und zu entfalten. |
Ablauf
Drei Einheiten. Einleitender ausführlicher Vortrag des Leiters. Danach
Gespräch, unterstützt durch die Arbeit an kurzen Textauszügen,
die ich verteile. Dazu 2 kurze Videofilme (1. über Brut-Experimente an
lebendem weiblichem Torso in Bologna, 2. Martin Heidegger über die Technik)
sowie einige vergrösserte Fotos von aktuellen Gehirn-/Computer-Verbindungen
und prothetischen Experimenten. |
Bemerkung
Ich bin nicht nur sehr gerne bereit, sondern ausdrücklich daran interessiert,
auf die Erwartungen und Wünsche der TeilnehmerInnen einzugehen. Am besten
VOR dem Workshop abstimmen. |
Literatur
Als vorbereitende Literatur empfehle ich:
1. Roland Benedikter (Hg.), Postmaterialismus, Band 6 - Die Globalisierung,
Passagen Verlag Wien 2003 (Bemerkung: Einer der Autoren des Buches, Nicanor
Perlas, erhielt im Oktober den Alternativen Nobelpreis 2003).
2. Roland Benedikter (Hg.), Postmaterialismus, Band 4 - Die Natur, Passagen
Verlag Wien 2003.
3. Roland Benedikter (Hg.), Italienische Technikphilosophie für das 21.
Jahrhundert, Frommann-Holzboog Verlag, Stuttgart 2002.
4. Roland Benedikter, Wer ist der "rettende Gott"? Das Doppelantlitz
der Technik am Beginn des 21. Jahrhunderts, in: Die Drei, 72. Jahrgang, Heft
8-9/2002, Frankfurt am Main 2002, S. 53-74 (siehe auch www.diedrei.org).
5. Roland Benedikter, Begegnung mit dem Vorsitzenden der Ethik-Kommission. Grundmuster
ethischen Denkens in der Gegenwart, in: Die Drei, 72. Jahrgang, Heft 11/2002,
Frankfurt am Main 2002, S. 48-54. |
Von diesen Schriften werden natürlich jeweils nur Auszüge zur Anwendung
kommen, denn es geht um Inspiration und Konzentration mit Genuss, nicht
Erschöpfung. |
WORKSHOP: Existenzerweiterung und Kolonialisierung der Menschen durch Internet
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Keine Technik hat in so kurzer Zeit (in 10-20 Jahren) das Leben und die sozialen
Handlungsmöglichkeiten (z.B. attac!) der (jüngeren) Menschen in den
Industriegesellschaften so radikal verändert.. |
Eine Arbeitsgruppe ("Workshop") würde ich am Freitag Nachmittag
mit einem "Impulsreferat" in Gang zu bringen versuchen, mit folgenden
Schwerpunkten:
- Blitzartige Revolutionierung der zwischenmenschlichen und zwischengesellschaftlichen
Kommunikation durch Rechner und deren Vernetzung im Internet
- Enorme Erweiterung der Wissensstandes und -zugriffs wie auch der Textproduktion
und des internationalen Wissensaustauschs
- enorme Erweiterung der persönlichen Interaktionsmöglichkeiten,
nicht zuletzt im erotischen Bereich - gleichzeitig starke Zunahme der ephemeren
Kontakte (Chatten etc.)
- exponentiale Steigerung der politischen Mobilisierungsmöglichkeiten
per Internet, aber nicht zuletzt auch der demokratiefeindlichen, rechtsradikalen
Infiltration - und vor allem der Abhängigkeit der Menschen von monopolistisch
sich entwickelnden und beherrschten Technologien (Microsoft), die durch extreme
Defekt- und Reparaturanfälligkeit sowie durch "planned obsolescence"
(eingebauten Verschleiss, absichtliche "Veralterung") eine schwere
Belastung des Budgets der Netzteilnehmer darstellen und die Tendenz einer neuen
Zweiklassengesellschaft der Internet-Insider und -Outsider schaffen.
Mein Arbeitsmaterial wären Thesen als vorbereitende Grundlage für
prospektive Teilnehmer.
Das Impulsreferat würde nicht nur eine allgemeine Diskussion eröffnen,
sondern vor allem Erfahrungsaustausch - evtl. in Kleingruppen - in Gang setzen.
Wünschenswert wäre ein kurzes Korreferat (zB. eines/r informierten
Studenten/in), in dem ein mit Zahlen unterlegtes Bild dieser technologischen
"Explosion" im Kommunikationssystem der Bürger, Studenten, Wissenschaftler,
Firmen, Geschäftsleute, Sexdienstleister/innen gegeben wird, auch auf Papier:
Wieviel Rechner, Internetanschlüsse, Webseiten 1980 -'90 - '95 - '00, durchschnittliche
Ausgaben dafür, monopolistische Entwicklung von Gates, Mail und Internet
als Mobilisierungsinstrumente von NGOs und rechtsradikaler Propaganda. |
Diese Arbeitsgruppe mit evtl. Kleingruppen würde sicher auch Samstagvormittag
weiter tagen müssen, incl. der Zusamenfassung der Kleingruppenergebnisse. |
WORKSHOP: Zukunftsprognosen durch genetische Tests
Kann unser Erbmaterial Aussagen über die persönliche Zukunft machen?
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Rouven Porz
Diplom-Biologe, Institut für Ethik in den Biowissenschaften
c/o Institut für Geschichte und Epistemologie der Medizin
Arbeitsstelle von Prof. Christoph Rehmann-Sutter
» rouven.porz@unibas.ch |
Die genetische Diagnostik stellt einen neuen, schnell wachsenden Zweig der molekularbiologischen
Medizin dar. Für die betroffenen PatientInnen, die sich dieser Diagnostik
unterzogen haben, ergibt sich aus den Testergebnissen oftmals ein "neues
molekulares Wissen" über den eigenen Körper (Genetische Tests)
oder über das ungeborene Kind (Pränatale Diagnostik).
Dieses neue, molekularbiologische Wissen hat Auswirkungen auf die persönliche
Zukunft der einzelnen Betroffenen, da gerade bei präsymptomatischen Tests
(Tests zu Krankheiten, die noch gar nicht ausgebrochen sind) statistische Aussagen
über das Erkrankungsrisiko des Betroffenen gemacht werden. Hier stellt
sich die Frage: Will man seine körperliche Zukunft wissen? Kann man überhaupt
anhand des Erbmaterials Aussagen über die persönliche Zukunft machen?
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In meinem Workshop möchte ich folgendermassen vorgehen:
1. Theoretische Einführung (20 min):
Ich erkläre, worum es sich bei genetischen Tests handelt und welche dieser
gendiagnostischen Massnahmen schon in unseren Alltag Einzug gehalten haben.
2. Praktische Übung (20 min):
Ich präsentiere den Workshop-TeilnehmerInnen kurze Auszüge aus unseren
Interviews mit Betroffenen. Diese praktische Arbeit verfolgt zwei Ziele:
a) Die Workshop-TeilnehmerInnen sollen einen praktischen Einblick in die Vor-
und Nachteile der Gendiagnostik anhand der Originalinterviews von Betroffenen
erhalten.
b) Die Workshop-Teilnehmerinnen sollen anhand der Umgehensweise mit den Interviewtexten
einen praktischen Einblick in die Anwendung unserer qualitativen Forschungsmethode
erhalten.
3. Diskussion (ethische Fragen) (20min):
Aufbauend auf 2 a) möchte ich mit den Teilnehmenden einige der sich aus
den Interviewbeispielen ergebenden Fragen diskutieren. |
WORKSHOP: Die Macht der Technik über uns - die soziologische Transformation der
Sachzwangthese
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Seit Ende des Zweiten Weltkriegs gewinnt der Eindruck, dass technischer Fortschritt
ausser Kontrolle geraten sei, dass er sich nach eigenen Gesetzen, sich nach
eigener Logik entwickle, an Plausibilität. Unablässig sieht sich die
Gesellschaft Sachzwängen ausgesetzt, zu Anpassungsprozessen gezwungen,
die kühle Rationalität technischer Welten scheint die Sozialwelt zu
überrollen. Technik scheint eine autonome Macht, welche die Gesellschaft
beherrscht, das individuelle wie das kollektive Leben dominiert. |
Solche generalisierenden Sachzwangthesen sind eine prominente Form, das Verhältnis
von Technik und Gesellschaft zu verstehen. Soziologisch reflektiert, greifen
solche Thesen aber zu kurz: Man kann nicht von der Technik und der Gesellschaft
sprechen, vielmehr hat man es mit vielen unterschiedlichen (technischen) Sachen
zu tun, die in vielfältige Handlungszusammenhänge eingelassen sind.
Dennoch muss eine Soziologie weder im Dickicht der Empirie versinken, noch auf
theoriefähige Aussagen zum Verhältnis von technischer und gesellschaftlicher
Dynamik verzichten. Drei grundsätzliche Überlegungen möchte ich
vorstellen und an Beispielen erläutern. Erstens gibt es grundlegende, epochemachende
technische Innovationen, die mit radikalen gesellschaftlichen Wandlungen einhergehen.
Zweitens existieren soziotechnische Interferenzen, d.h. Gesellschaften lernen
an ihrer Technik, wie die Sozialwelt zu konstituieren ist - und umgekehrt. Drittens
lässt sich Technik als Körper der Gesellschaft begreifen, sie verleiht
der Gesellschaft in gewisser Weise materielle Existenz, lässt sich als
Härtung sozialer Beziehungen begreifen. |
Bemerkung:
Beabsichtigt ist, einen systematischen, theoriegeleiteten Einstieg in die Frage
nach dem Verhältnis von Technik und Gesellschaft anzubieten. Die Veranstaltung
wird in der traditionellen Form eines Vortrags mit Diskussion ablaufen, da allein
der Freitagnachmittag zur Verfügung steht. |
Zur Vorbereitung (oder auch Nachbereitung) sei empfohlen: |
Winner, Langdon: Autonomous Technology: Technics Out-of-Control as a Theme
in Political Thought. Cambridge 1977.
Popitz, Heinrich: Der Aufbruch zur Artifiziellen Gesellschaft. Tübingen
1995. (Darin besonders das Kapitel "Epochen der Technikgeschichte")
Latour, Bruno: Über technische Vermittlung. Philosophie, Soziologie, Genealogie.
In: Rammert, Werner (Hg.): Technik und Sozialtheorie. Frankfurt, New York 1998:
29-81.
Joerges, Bernward: Technik, Körper der Gesellschaft. Arbeiten zur Techniksoziologie.
Frankfurt/M. 1996 |
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