Themenblock 3: Erfahrene, verwaltete und disziplinierte Körper
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WORKSHOP 1: Mit dem Körper auf Erfahrungssuche:
Extremsport und Extremerfahrungen in der Natur
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Inhalt
Alle sinnlichen Wahrnehmungen, alle Erlebnisse, alle daraus gewonnenen
Erfahrungen über die Innen- und Außenwelt werden mit dem Körper gemacht. So wie
der Körper selbst, so sind auch seine Erfahrungen individuell erlebt,
gesellschaftlich geprägt und kulturell überformt.
Welches sind die Körpertechniken und körperlichen Rahmenbedingungen, die andere
Kulturen nutz(t)en, um innere Vorgänge, zielführende oder bewusstseinerweiternde
Erfahrungen oder Schritte zur inneren Vervollkommnung zu steuern?
Was verstehen wir heute noch von den Lernplätzen der Religionsstifter, Mystiker
und Schamanen: Wüste, Höhle, Wasser, Dunkelheit, Einsamkeit, wo sie zu sich
selber und zur Erkenntnis kamen? Wie weit sind ihre Techniken, z.B. Fasten,
Schweigen, Meditieren, energetisches Atmen, als kostenlose Körperkünste den
Knechten der heutigen Konsumgesellschaft noch vermittelbar?
Ist es die Reizreduktion, die zu besonderen Erfahrungen führt? Oder ist es beim
Extremsport wie bei sonstiger Extremerfahrung in der Natur die Reduktion der
Wahrnehmung auf das Wesentliche, das schlichte Überleben und Weiterkommen?
Wird unsere Gesellschaft deswegen gern als "Erlebnisgesellschaft" bezeichnet,
weil sie genauso erlebnisarm wie erlebnissüchtig ist? Was unterscheidet
Erlebnisse von Erfahrungen, wie reifen Erlebnisse zu Erfahrungen? Warum soll
Pädagogik mit Erlebnissen arbeiten, warum sollen Erfahrungen in der Natur
gesucht werden, warum ist Extremsport ein extremes Sinnbild unserer
sicherheitsorientierten Kultur, warum hat all das mit der Suche nach Sinn zu tun
- warum haben unsere Gesellschaft und Wissenschaft Angst, die Sinnfrage zu
stellen?
Führt uns unser Sicherheitsstreben gleichzeitig zur Risikovergessenheit und zur
Risikobesessenheit, führt uns die Erlebnissucht auf die Suche nach einem
selbstinszenierten Extrem-Ereignis, für das es sich lohnt, vieles oder sogar
alles zu riskieren? Kann man Existenzerfahrungen machen, wenn man seine Grenzen
überschreitet?
Versucht nach dem Verlust der alten Zwangssicherheiten im Rahmen
gesellschaftlicher Individualisierungsprozesse die neue Konzentration auf den
Körper nunmehr Funktionen zu erfüllen, die früher der Religion zustanden? Wird
der Körper als Erlebnisraum im Rahmen allgemeiner Verunsicherung immer
wichtiger, weil er das letzte Authentische zu sein scheint, was uns bleibt?
Wenn der Körper das Medium aller Erlebnis-, Erfahrungs- und Sinnsuche ist -
lassen sich dann aus Körper-, Sport- und Religionssoziologie Ansätze
herauslösen, die uns zu einer Soziologie der Erfahrungs- und Sinnsuche führen?
Es gilt, den von Sozialwissenschaften vernachlässigten, menschliches Streben
kennzeichnenden und die Gesellschaften prägenden Einfluss von menschlichen
Erfahrungen, im Körper gemachten Erlebnissen und Erfahrungen, wieder
soziologischer Aufmerksamkeit zuzuführen.
Der Workshop beginnt mit einer kurzen Einführung in die Körpertechniken und
Rahmenbedingungen, mit deren Hilfe unterschiedliche Kulturen Erfahrungen zu
machen suchten. Im Übrigen sollen die vorstehenden Fragen mit den Teilnehmern
diskutiert werden. Aus der Arbeit des Referenten erhalten die Teilnehmer einen
Text "Hemmunglos erleben - Körperliche Grenzen und spirituelle Horizonte" und
eine Tagungsbroschüre "Extremsport und Erfahrungssuche in der Natur.
Existenzerfahrungen, Grenzüberschreitungen, Erlebnispädagogik". |
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WORKSHOP 2: Körpernormen und Ernährungsempfehlungen.
Ein Beitrag zur Geschichte der Normierung und Objektivierung 1900-1940
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Inhalt
Mit dem Aufkommen einer modernen naturwissenschaftlich ausgerichteten Medizin
waren seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert auch Versuche verbunden, den
körperlichen Zustand des Menschen "objektiv" einzuschätzen. Das (antike)
ebenmäßige Ideal des Menschen wurde ergänzt durch einen Blick auf die reale
Leiblichkeit, auf quantifizierbare Daten von Länge, Breite und Gewicht. Vermehrt
seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden diese empirischen Informationen zu
Aussagen über den Körper eines fiktiven Durchschnittsmenschen verdichtet. Ziel
war es nicht allein, zwischen verschiedenen Gruppen, Altern, Geschlechtern
präzise zu scheiden, sondern insbesondere die Folgen der Industrialisierung auf
die Unterschichten und das "Volk" genauer benennen zu können. Anthropologen und
Statistikern extrapolierten dazu aus bestehenden Daten mathematische Formeln,
der Einzelkörper galt als Bruchteil der Gattung. Seit den 1880er Jahren
intensivierte sich die Datenproduktion, abseits von Militär und
Minderbemittelten sammelten vor allem Versicherungs- und Schulmediziner
Körperdaten. Sie erweiterten den Korpus "objektiver" Informationen, boten seit
den 1890er Jahren die Basis für einfach handhabbare Durchschnittstabellen über
den Körperzustand "normaler" Menschen. Sie bildeten zugleich die Grundlage für
intensive Bemühungen seit der Jahrhundertwende, mittels einfacher Formeln den
körperlichen Zustand Einzelner durch die Kenntnis einiger weniger äußerer
Körperdaten präzise einordnen zu können. An die Stelle des differenzierenden und
individualisierenden körperlichen Blickes des Mediziners trat ein abstraktes
Wissen um die Körpernorm, die Basis für Rat und Intervention wurde.
Diese Körpernormen hatten jedoch ihre klaren Grenzen. So wurde in
Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg intensiv um die Einschätzung von
"Unterernährung" gerungen, war die Wahl "richtiger" oder "falscher" Normen doch
Grundlage für eine angemessenen oder aber überbordende sozialstaatliche
Intervention. Die Hungerkatastrophe des Ersten Weltkrieges (auch Ausfluss
fragwürdiger Kostmaße), die sich tief in die Körper der Deutschen fraß,
verdeutlichte Probleme statistischer Abweichungen und individueller Bedürfnisse.
Das Beispiel der Quäkerspeisung seit 1919 zeigt, wie auf Basis "objektiver",
gleichwohl offenbar unangemessener Körpernormen Millionen von Schulkindern nicht
die Hilfe bekamen, die ihnen aufgrund ihres schwächlichen Körperzustandes
zugestanden hätte. Die Folge dieser wachsenden Probleme der Objektivierung des
Körperzustandes waren gravierend: Zum einen wurde die empirische
Grundlagenforschung intensiviert, darauf hoffend, so ein genaueres Ab- und
Vorbild der Körper geben zu können. Zum anderen vertiefte sich der Körperblick,
wandte sich von äußerlichen Indikatoren zunehmend auf körperinnere
Funktionszusammenhänge. Der Körper galt immer weniger als Resultante sozialer
Rahmenbedingungen, sondern "objektivierbarer" Stoffwechselprozesse.
Deren Kenntnis wurde durch biochemische Grundlagenforschung schon vor dem
Ersten Weltkrieg auf eine konzeptionell neue Grundlage gestellt. Essentielle
Fette, Aminosäuren, vor allem aber Mineralstoffe und die 1911 benannten Vitamine
traten in ihrer Bedeutung für den Körperaufbau zunehmend in das Bewusstsein von
Medizinern und Hygienikern. Das relative Scheitern einer auf einseitig kalorisch
ausgerichteten Kostmaßen gründenden Ernährungspolitik führte spätestens seit
Mitte der 1920er Jahre zu intensivierten Diskussionen über Körper und Gesundheit
eindeutig fördernde Normen und Empfehlungen.
Ziel dieser Optimierungs- und Aufzuchtsbestrebungen war ein
leistungsfähiger Körper, eine funktionsfähige Biomaschine. Ihre Motive lagen
nicht allein in rassenhygienischen Vorstellungen, sondern waren durchaus
sozialer Natur. Es galt weiterhin, gerade in den sozialen Unterschichten Armut
und Krankheit zu bekämpfen, um so allen Bevölkerungsschichten gleiche Chancen
zur Ausbildung ihrer von der "Natur" her möglichen Normkörper zu ermöglichen.
Normen dienten dabei nicht allein als Bewertungsmaßstab, sondern auch als
Handlungshorizont.
Dazu wurden Ernährungsempfehlungen und Körpernormen miteinander gekoppelt,
wurden zur Grundlage wissenschaftlicher Anspruchshaltungen an eine "rationale"
Biopolitik. Ihre zukunftsweisendste Form fand sie in Völkerbundempfehlungen der
1930er Jahre, die historische Grundlage der heutigen Ernährungsempfehlungen
bilden. Sie wurde jedoch ebenso (etwa im Deutschen Reich) in rassistische
Kontexte eingebunden, in der "gesunde" und dienstbarer Körper gefördert,
"kranke" und "anormale" dagegen verhindert und getilgt werden sollten.
Das deutsche Beispiel kann zugleich verdeutlichen, dass es seit den 1930er
Jahren eben nicht mehr nur darum ging, große Gruppen mittels Normen und
Empfehlungen im Krisenfalle gesundheitlich organisieren zu können, sondern dass
es zunehmend galt, diese Gruppen selbst zu gewinnen: Internalisierung von
wissenschaftlichem Körperwissen und die Ausbildung intrinsischer Motivation zur
"gesunden" Lebensführung wurden zu Zielen einer neuartigen Körper- und
Gesundheitsaufklärung. Sie etablierten vor dem 2. Weltkrieg Wissens- und
Vermittlungsformen, die teils bis heute gelten. Sie in ihrer
(wissenschafts-)historischen Bedingtheit zu reflektieren kann sicher helfen,
Sinn und Unsinn heutiger Körpernormen und Ernährungsempfehlungen fundiert
abzuwägen.
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WORKSHOP 3: Biosociality/Biosozialität. Die Gene, der Körper und die
Gemeinschaft.
Kritische Diskussion eines Konzepts
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Inhalt
Der Begriff "biosociality" wurde 1992 vom Anthropologen und
Wissenschaftsforscher Paul Rabinow geprägt und hat als "Biosozialität" auch in
die deutschsprachige Diskussion Eingang gefunden. Mit dem Begriff wird kritisch
reagiert auf die Diagnose einer "Biologisierung/Genetisierung des Sozialen". Die
Bedeutung von Gendiagnostik und Gentechnologie, so wird argumentiert, sei mit
dieser Diagnose nicht angemessen erfasst, weil sie auf der Grundlage einer
Unterscheidung von Natürlichem und Kulturellem operiere. Herausragendes Merkmal
der Gegenwart aber sei es gerade, dass sie diese Unterscheidung unterlaufe,
werde doch Natur biotechnologisch verfügbar, während das Soziale von
biologischem Wissen und biotechnologischer Intervention gestaltet werde. Oder,
so sinngemäss die Fassung des Begriffs "biosociality" durch Paul Rabinow: "Natur
wird künstlich" und "Kultur wird natürlich". Geht es beim Begriff "biosociality"
in diesem grundsätzlichen Sinn um die Überwindung der Dichotomie Natur/Kultur,
so wird er auch mit konkreten Phänomenen empirisch gefüllt. So werden als
"biosociality" etwa neue Formen der Vergemeinschaftung beschrieben, die sich
dort beobachten/prognostizieren lassen, wo sich Individuen infolge der Diagnose
genetischer Krankheitsdispositionen zu Interessengruppen oder Selbsthilfegruppen
zusammenschliessen. Der Körper bzw. das Wissen über körperliche Veranlagungen
wird hier zur Grundlage von Vergemeinschaftung und ev. in einem weiter
reichenden Sinne auch von sozialer Strukturierung.
Im Workshop soll zum einen das Konzept "biosociality" vorgestellt und anhand
einschlägiger Textstellen nachvollzogen werden. Zum andern geht es um die
kritische Diskussion: Auf welche empirischen und theoretisch-konzeptuellen
Probleme antwortet das Konzept? Ist es plausibel? Welche Phänomene lassen sich
mit dem Begriff fassen? Wird damit Gegenwart zeitdiagnostisch beschrieben?
Welches historische Argument verbirgt sich hinter dem Konzept bzw.: ist das, was
der Begriff beschreibt, "neu"?
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WORKSHOP 4: Le corps engendré, sexualisé et handicapé à travers les idées
eugéniques
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Contenu
La sociologie du corps propose que la perception du
corps varie selon les époques et les cultures. Dans la culture occidentale le
corps est au centre de différentes exigences, souhaits et obligations en ce qui
concerne sa forme et son apparence et les processus de normalisation exigent que
le corps contemporain doive être «sain, beau et sexy». Le workshop sera
intéressé particulièrement comment le corps sain était constitué, réglementé et
administré dans un contexte historique afin de réfléchir sur la durabilité de
ces idées dans un contexte contemporain. Le cas d'étude ici sera la construction
et la régulation du corps engendré, sexualisé et handicapé en Suisse dans la
première moitié du XXe siècle.
Le contexte historique est encadré par les idées et les pratiques
eugéniques qui reposait sur la crainte de la d dégénérescence et l'idée que
l'amélioration de la population peut être obtenue par la maîtrise scientifique.
Le but étant de contrôler la reproduction afin de sélectionner les variations
génétiques favorables et d'éliminer avant la fécondation (par interdiction du
mariage ou stérilisation) ou après (par infanticide ou avortement) celles qui
semblaient défavorables. Central aux idées eugéniques aussi que les pratiques
était la sexualité, le comportement sexuel de la population et ainsi le corps
avec ses pratiques incorporées (embodied practices). Les politiques des
démocraties européennes de la période entre guerre témoignent de ce que le corps
des femmes en tant que le corps reproducteur a été surinvesti durant la XXe
siècle. Corps nationalisé, corps enrégimenté, en tant que «corps de la nation»
(« Volkskörper »), le corps des mères était l'enjeu de dispositifs expérimentaux
concrets, d'agenda collectif complexes et parfois contradictoire. Néanmoins, il
ne s'agissait pas d'un corps féminin universel mais d'un corps différencié, en
tant que des identités incorporées, à la conjonction avec d'autres structures de
pouvoir aussi que, par implication, avec le corps masculin.
La disciplinarisation et l'administration du corps féminin et masculin
seront ainsi examinés prenant en compte la construction normative de la
sexualité
et le handicap. La représentation, la construction et la manipulation des corps
dans la société et pour le bénéfice de la société ainsi encadrent les questions
sur l'idée du corps parfait et l'importance durable du corps dans la théorie de
la société. Les participants seront fournis avec des matériaux de travail pour
le workshop.
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