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 "Geht und eignet Euch die Stadt an!"

Gaudenz Steinlin im unikum vom Februar 2002 (pdf)


Stadt ist Verdichtungsraum, Ort des sozialen Wandels, kulturelles und ökonomisches Zentrum. Sie übt seit jeher auf viele Menschen eine starke Faszination aus. Nirgendwo leben Menschen so nahe zusammen wie in der Stadt. Städte unterliegen deshalb zusammen mit den Gesellschaften, aus denen sie hervorgehen, radikalen und vielfältigen Veränderungen. Gesellschaftsentwicklung und Stadtentwicklung stehen in wechselseitiger Beziehung. Selten bleiben Wandlungsprozesse auf den städtischen Raum beschränkt, im Allgemeinen künden sie gesamtgesellschaftliche Evolutionen an. Was aber eine Stadt erst zur Stadt macht, sind ihre Bewohnerinnnen und Bewohner. Sie hauchen ihr Leben ein, beleben ihre Plätze, wandeln durch ihre Parks, vergnügen sich an ihrem Theater, wohnen in ihren Häusern. 

Auch auf Studierende scheint das Phänomen Stadt eine besondere Faszination auszuüben. Über hundert Studentinnen und Studenten aus der ganzen Schweiz sind Ende November für einmal am Wochenende in die Unitobler gekommen, um am «kolloquium.soziologie.ch» zum Thema «findet stadt statt? soziologie des urbanen raums»teilzunehmen. 

Wie die Stadt sich weder auf ihre Bewohner reduzieren lässt, noch ohne Menschen auskommen kann, die sie erst zum Leben erwecken, kann auch eine Veranstaltung, die sich mit allen Facetten des urbanen Raums auseinander setzen will, nicht auf eine Disziplin beschränken. An das Kolloquium waren deshalb Referentinnen aus den Bereichen Soziologie, Geographie, Geschichte, Architektur und Städteplanung eingeladen. Auch die Schar der teilnehmenden Studenten war bunt gemischt. Wie kaum je an der Uni war es möglich Interdisziplinarität zu pflegen, wenn z.B. in einem Workshop Studentinnen aus verschiedenen Fachrichtungen zu ergründen versuchten was Urbanität ausmacht. Prof. Gabriele Sturm hat unter dem Titel «Urbanität: Versuch einer szenischen Rekonstruktion» einen der spannendsten Workshops des Kolloquiums angeboten. Nachdem sich die Teilnehmer auf einige Begriffe, die bezeichnend für Urbanität sind geeinigt hatten, mussten sie deren Beziehung zueinander räumlich darstellen. In der Diskussion darüber, wie sich nun die einzelnen Begriffe zueinander verhalten, sind viele spannende Aspekte aufgetaucht, die ohne den Zugang aus verschiedenen Disziplinen nicht entdeckt worden wären. 

Das Kolloquium hatte jedoch nicht nur den Anspruch verschiedene Disziplinen zusammen zu bringen. Das Thema Stadt sollte nicht nur von der Studierstube aus beleuchtet werden, sondern auch praktisch erfahrbar sein. Dazu wurden am Samstagnachmittag in der Stadt Bern verschiedene Exkursionen durchgeführt. Auf diesen Exkursionen konnten sich die Teilnehmer nicht nur ein Bild von den aktuellen Problemen eines Quartiers machen, sondern auch viel über dessen Entwicklung erfahren. So hat Daniel Blumer zum Beispiel auf seiner Exkursion durch die Lorraine beschrieben, wie das ehemalige «Problem- und Sanierungsgebiet» zum Trendquartier geworden ist. Noch in den sechziger Jahren wurde die Lorraine von den Berner Behörden als nicht erhaltenswert eingestuft. Viele Gebäude hätten nach der damaligen Planung abgerissen werden sollen und die Lorrainestrasse wäre zu einer Schnellstrasse ausgebaut worden. Doch die Rezession in den siebziger Jahren stoppte dieses Projekt und ermöglichte damit, dass in der Lorraine ein vielfältiges Kulturangebot entstand. Durch diese Aufwertung des Gebietes zu einem Trendquartier, wird nun auch wieder mehr investiert. Was auch auf die Struktur des Quartiers wiederum vielfältige Auswirkungen haben wird. 

In der abschliessenden Podiumsdiskussion waren sich alle einige, dass die Stadt nicht einfach sich selbst überlassen werden kann, sondern dass es für eine attraktive Stadt auch eine Stadtplanung braucht, die auf die Bedürfnisse der Bewohnerinnen eingeht. Stadtentwicklung sollte weniger auf unkontrolliertes Wachstum, sondern auf die Steigerung der Lebensqualität ausgerichtet werden. Daran müssen sich aber auch die Bewohner der Stadt beteiligen. Ein Referent fasste die wichtigste Botschaft des Kolloquiums so zusammen: «Geht und eignet euch die Stadt an!» 

Das kolloquium.soziologie.ch ist eine Veranstaltung, die seit 1999 von Studierenden der Soziologie organisiert wird. Jedes Jahr treffen sich Soz-Studis aus der ganzen Schweiz an einer anderen Universität, um während eines Wochenendes über ein bestimmtes Thema zu diskutieren. In diesem Herbst fand die Veranstaltung zum ersten Mal in Bern statt. Sie wurde vom 29. November bis am 1. Dezember von der Fachschaft Soziologie organisiert. Nächsten Herbst wird das Kolloquium in Genf stattfinden. Neben den wissenschaftlichen Veranstaltungen gehört auch immer ein «Rahmenprogramm» mit einem grossen Abschlussfest zum Kolloquium. Weitere Informationen: http://kolloquium.soziologie.ch

 

 
letzte Änderung: Wednesday, 19-Oct-2005 11:03:42 CEST
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